Enthüllung einer Gedenktafel am Gebäude der ehemaligen Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Reichertstraße 112 in Görlitz
Heute, 5. Dezember 2023, fand die Enthüllung einer Gedenktafel am Gebäude der ehemaligen Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, Reichertstraße 112, dem heutigen Gesundheitsamt des Landkreises Görlitz im Rahmen einer Gedenkveranstaltung statt. Auf Anregung des Mitgliedes des Landtages a. D. Volker Bandmann und Initiative des Landrates a. D. Bernd Lange haben Landrat Dr. Stephan Meyer und der Freundeskreis der Heimatpflege im Landkreis Görlitz e. V. das Vorhaben umgesetzt.
Die Initiative soll die Erinnerung an Repression und Diktatur wachhalten, um zu vermitteln, dass Demokratie kein Selbstverständnis ist. Konkreter Anlass für die Anbringung der Gedenktafel ist die Erinnerung an die Besetzung des Gebäudes durch mutige Menschen und das Neue Forum Görlitz am 5. Dezember 1989. Die Staatsicherheit der DDR hat bekanntermaßen auf alle Lebensbereiche der Menschen eingewirkt. Die weitverzweigte Staatsicherheit war engmaschig über das gesamte Territorium der ehemaligen DDR und bis ins Detail strukturiert. So auch im Kreis Görlitz.
„Mit der heutigen Veranstaltung und der Enthüllung der Gedenktafel an der ehemaligen Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit hier in Görlitz möchte der Landkreis einen Beitrag leisten, die Vergangenheit wach zu halten und für aktive Mitarbeit in der Kommunalpolitik werben. Es ist unsere Verpflichtung an die unsägliche Vergangenheit zu erinnern und dafür zu sorgen, dass sich derartige Entwicklungen nicht wiederholen. Nur durch breite Beteiligung und Mitwirkung können wir gemeinsam dafür sorgen, dass Demokratie und Freiheit erhalten bleiben. Dafür tragen wir alle Verantwortung.“ so Landrat Dr. Stephan Meyer in seiner Ansprache.
Hintergrund:
Am 19. September 1989 meldete das Neue Forum die Gründung der Vereinigung unter Berufung auf Artikel 29 der DDR-Verfassung in elf der 15 DDR-Bezirke an. Zwei Tage später wurde über die staatliche Nachrichtenagentur ADN das Neue Forum als verfassungs- und staatsfeindlich beschrieben. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits 3.000 Menschen den Aufruf unterschrieben. Am 25. September 1989 wurde der Antrag auf Zulassung offiziell mit der Begründung abgelehnt, es bestehe keine gesellschaftliche Notwendigkeit für eine derartige Vereinigung. Der Aufruf "Aufbruch 89-Neues Forum" wurde vervielfältigt und weitergegeben. Auf Veranstaltungen – zunächst vor allem in Kirchen – lagen der Aufruf und Unterschriftslisten aus. Das MfS beobachtete diese Tätigkeiten als „staatsfeindlich“. Bis Ende des Jahres 1989 unterschrieben etwa 200.000 DDR-Bürger den Aufruf. Das Neue Forum hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 10.000 feste Mitglieder. Das Neue Forum hatte ein hohes Maß an Mobilisierungswirkung unter anderem auch in der Oberlausitz.
Als Initialzündung kann der 19. Oktober 1989 verstanden werden. An diesem Tag kamen nahezu 10.000 Menschen aus der ganzen Oberlausitz nach Zittau, um den Aufbruch zu Freiheit und Demokratie zu wagen. Am 7. Dezember 1989 tagte in Ostberlin nach polnischem Vorbild der Runde Tisch, live vom Fernsehen übertragen. Kräfte der Opposition und Vertreter der alten Macht saßen sich gegenüber, um einen friedlichen Übergang von der Diktatur zur Demokratie zu verhandeln.
Schon in seiner ersten Sitzung hatte der Zentrale Runde Tisch die Regierung aufgefordert, die Stasi zu entwaffnen und das Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) aufzulösen.
Daraufhin beauftragte am 11. Dezember der Ministerrat den amtierenden Leiter des AfNS mit der Auflösung der Behörde sowie mit der Benennung eines zuständigen zivilen Beauftragten. Am 14. Dezember 1989 erklärte die Regierung die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit, die bis zum 20. Juni 1990 zu vollziehen war. Die Opposition wollte durch die Verhandlungen am Runden Tisch die Regierung aber auch dazu zwingen, die Strukturen der DDR-Geheimpolizei offenzulegen und die Auflösung zu forcieren. Am 15. Januar vormittags gab die Regierung Modrow nach, legte erstmals Fakten zur Überwachung offen und sagte zu, den Apparat zügig weiter abzubauen.
Das Projekt wurde unterstützt von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien. Die Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes.
Enthüllung der Gedenktafel – Landrat a.D. Bernd Lange, MdL a.D. Volker Bandmann, Rafał Gronicz (Bürgermeister der Stadt Zgorzelec), Schülerin der Melanchton Oberschule Görlitz, Landrat Dr. Stephan Meyer, Schüler der Melanchton Oberschule Görlitz, Oberbürgermeister Octavian Ursu (Oberbürgermeister der Stadt Görlitz), Joachim Mühle (Freundeskreises der Heimatpflege im Landkreis Görlitz e.V.) (v.l.n.r.)