Allgemeinverfügung des Landkreises Görlitz über das Verbot von Veranstaltungen mit über 1.000 Teilnehmern zur Eindämmung und Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2
ln der Stadt Wuhan/Volksrepublik China trat im Dezember 2019 die Atemwegserkrankung COVID-19 auf, welche durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht wird. Die Erkrankung breitet sich seitdem auch in anderen Ländern aus. Am 30. Januar 2020 hat die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen. Aktuelle breitet sich der Virus zunehmend auch in Deutschland aus und am 09. März 2020 wurde der erste Fall im Landkreis Görlitz bekannt.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (12. März 2020) sind im Landkreis Görlitz bereits fünf Personen nachweislich mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert. Darüber hinaus bestehen 28 begründete Verdachtsfälle. Das fachaufsichtlich zuständige Sächsische Sozialministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hat einen Erlass veröffentlicht, wonach die Gesundheitsämter im Freistaat Sachsen mit Wirkung ab dem 12. März 2020, 8.00 Uhr, angehalten sind, Großveranstaltungen mit über 1.000 Teilnehmenden zu untersagen.
Das Landratsamt des Landkreises Görlitz erlässt als zuständige Behörde gemäß § 28 Absatz 1 Satz 2 lfSG daher die folgende Allgemeinverfügung des Landkreises Görlitz über das Verbot von Veranstaltungen auf dem Gebiet des Landkreises Görlitz
- lm Gebiet des Landkreises Görlitz ist es untersagt, Großveranstaltungen durchzuführen. Großveranstaltungen sind jegliche örtlich zusammenhängende Veranstaltungen, Vergnügungen und sonstige Menschenansammlungen sowie Versammlungen und Aufzüge mit einer Zahl von über 1.000 gleichzeitig erwartenden Teilnehmenden, unabhängig davon, ob sie unter freiem Himmel oder in geschlossenen Räumen stattfinden. Umfasst sind auch Teilveranstaltungen im Sinne von Satz 1, die zum gleichen Zweck sowie im zeitlich engen Zusammenhang abgehalten werden und in Summe dieser Teilveranstaltungen über 1.000 Teilnehmende umfassen. Teilnehmende sind jegliche der Veranstaltung beiwohnende Personen, ganz gleich ob es sich um Gäste, Personal oder andere Personen handelt.
- Die Teilnahme an den unter Ziffer 1 genannten Veranstaltungen ist untersagt.
- Veranstaltungen mit über 100 bis maximal 1.000 Teilnehmenden sind durch die Veranstalterin bzw. den Veranstalter unter Nutzung des als Anlage zu dieser Allgemeinverfügung eingestellten Bogens zur Selbsteinschätzung mit einer Kurzbeschreibung der Veranstaltung und einer Aufzählung der angedachten Hygienemaßnahmen mindestens 72 Stunden vor Veranstaltungsbeginn gegenüber dem Landratsamt Görlitz - Gesundheitsamt - anzuzeigen. Unmittelbar bevorstehende Veranstaltungen oder Menschenansammlungen, die bis einschließlich 15. März 2020 durchgeführt werden sollen, sind sofort in entsprechender Weise anzuzeigen.
- Das Verbot nach Ziffer 1 gilt nicht für Veranstaltungen, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich sind, die durch die nach Art. 4 Grundgesetz gewährleistete Religionsfreiheit geschützt sind von medizinische Einrichtungen im Sinne von § 23 Abs. 3 lfSG oder Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 lfSG sowie sonstige Einrichtungen und Unternehmen im Sinne des § 36 Abs. 1 lfSG von Hochschulen bzw. Universitäten.
- Diese Allgemeinverfügung gilt am Tag nach der ortsüblichen Bekanntmachung auf der Homepage www.kreis-görlitz.de und durch öffentlichen Aushang im Landratsamt, Bahnhofstraße 24, 02826 Görlitz als bekannt gegeben. Sie gilt bis auf Widerruf.
Begründung:
l.
Das Landratsamt des Landkreis Görlitz ist gemäß § 28 Absatz 1 Satz 2 des lfSG in Verbindung mit §
1 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem
Infektionsschutzgesetz (lfSGZuVO) sachlich zuständig. Es ist weiterhin gemäß § 1 des Gesetzes zur
Regelung des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat
Sachsen (SächsVwVfZG) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes
(VwVfG) auch örtlich zuständig für den Erlass dieses Bescheides.
II.
Zu Ziffer 1:
Die o. g. Anordnungen finden ihre Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 1 lfSG. Werden Krankheitsverdächtige oder Ansteckungsverdächtige festgestellt, trifft die zuständige Behörde gemäß § 28 Abs. 1 lfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 lfSG kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen; sie kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaß-nahmen durchgeführt worden sind.
Ausgehend von der Gesetzesbegründung sind hiervon alle Zusammenkünfte von Menschen erfasst, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen. Gemäß § 2 Nr. 1 lfSG sind Krankheitserreger im Sinne des Infektionsschutzgesetzes vermehrungsfähige Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann. Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um einen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nr. 1 lfSG. Der Krisenstab des Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) und des Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat in seiner zweiten Sitzung die Prinzipien des RobertKoch- Instituts zur Risikobewertung von Großveranstaltungen beschlossen und empfohlen, diese Kriterien unverzüglich bei der Risikobewertung zu berücksichtigen. Dieser Handlungsempfehlung ist zu entnehmen, dass das Risiko von großen oder schwer verlaufenden COVID-19 Ausbrüchen nach
einer Übertragung von SARS-CoV-2 bei einer Veranstaltung von der Zusammensetzung der Teilnehmer, der Art und dem Typ der Veranstaltung sowie der Möglichkeit der Kontrolle im Falle eines Ausbruchs abhängt. Durch den vorherrschenden Übertragungsweg von SARS-CoV-2 z. B. durch Husten, Niesen oder den Kontakt mit mild erkrankten oder asymptomatisch infizierten Personen kann es zu einer Übertragung des Virus von Mensch-zu-Mensch kommen. Um eben diese Verbreitung des Krankheitserregers zu verlangsamen und so vulnerable Personengruppen nach Möglichkeit vor einer Infektion bzw. um das örtliche Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu schützen, ist die Entstehung von Infektionsketten durch Untersagung der Durchführung von Veranstaltungen mit über 1.000 Teilnehmenden wirksam einzuschränken. Dies besonders vor dem Hintergrund, dass während einer 14-tägigen Inkubationszeit nicht auszuschließen ist, dass Personen mit leichter bis keiner Symptomatik an diesbezüglichen Veranstaltungen teilnehmen und so ein Gesundheitsrisiko eröffnen. Diese Personen gelten als ansteckungs- bzw. krankheitsverdächtig im Sinne des lfSG.
Ziel der Allgemeinverfügung ist es, die Übertragungswege von SARS-CoV-2 zu unterbrechen und das Risiko einzudämmen, ohne dabei das öffentliche und gesellschaftliche Leben gänzlich zum Stillstand zu bringen. Nach Einschätzung Landkreises können andere als die ergriffenen Maßnahmen mögliche Infektionsketten bei Veranstaltungen nicht wirksam verhindern. Ferner ist auch die Unmöglichkeit der Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten und eine sprunghafte Zunahme von Infektionen in die Abwägung einzubeziehen. Die Untersagung von Veranstaltungen ist aus diesem Grund erforderlich .. Mildere Maßnahmen sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist es nicht ausreichend, die Veranstaltungen unter Anordnung von Auflagen stattfinden zu lassen, weil die Risiken durch begleitende Maßnahmen, wie beispielsweise Handdesinfektion, nur unzureichend minimiert werden
können. Die Untersagung von Veranstaltungen ist ebenfalls verhältnismäßig im engeren Sinne. Den wirtschaftlichen Einbußen stehen erhebliche gesundheitliche Gefahren bei der unkontrollierten und nicht mehr nachvollziehbaren weiteren Verbreitung des neuartigen Coronavirus gegenüber. Dem Schutz von Leib, Leben und Gesundheit des Einzelnen sowie dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung als Rechtsgüter von verfassungsmäßigem Rang ist unbedingter Vorzug einzuräumen.
Zu Ziffer 2:
Die Allgemeinverfügung entfaltet nur dann ihre Wirkung, wenn auch die Teilnahme an einer der unter Ziffer 1 genannten Veranstaltungen untersagt wird. Andernfalls ist die wirksame Durchsetzung des Infektionsschutzes und damit eine Verhinderung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (SARSCoV-2) nicht möglich. Die Maßnahme ist geeignet, erforderlich und angemessen, da die Unterbrechung von Infektionsketten auch in der Verantwortung jeder einzelnen Person steht.
Zu Ziffer 3:
Der Infektionsschutz und die Verhinderung einer Übertragung des neuartigen Coronavirus (SARSCoV- 2) spielen auch bei Veranstaltungen mit unter 1.000 Teilnehmenden eine entscheidende Rolle. Gleichwohl ist bei Veranstaltungen dieser Größe eher die Möglichkeit gegeben, diese unter Verfügung von Auflagen und einem strengen Hygieneregime durchzuführen. Um diesbezüglich eine engmaschige Prüfung des Gesundheitsamtes des Landkreises Görlitz zu sichern, wird eine Anzeigepflicht für Veranstaltungen statuiert, bei denen weniger als 1.000 Personen zu erwarten sind. Die Veranstalterin bzw. der Veranstalter wird in diesem Falle angehalten, die Veranstaltung mindestens 72 Stunden vor deren Beginn elektronisch gegenüber dem Gesundheitsamt anzuzeigen. Diese Maßnahme erscheint geeignet, erforderlich und angemessen, um die Freiheit des Einzelnen und den Gesundheitsschutz für das Individuum und die Bevölkerung in einen Ausgleich zu bringen.
Zu Ziffer 4:
Ausdrücklich ausgenommen von der Untersagung sind öffentliche Einrichtungen, wie beispielsweise Kindertageseinrichtungen, Schulen aber auch medizinische Einrichtungen mit der genannten Personenzahl, da eine Schließung dieser Einrichtungen oder eine Anzeigepflicht weitreichende Einschnitte in allen gesellschaftlichen Ebenen zur Folge hätte und die zur Betreuung daheim bleibenden Personen nicht für die Arbeit in wichtigen Einrichtungen, wie der Polizei, der Pflege oder auch dem Rettungsdienst zur Verfügung stünden.
Zu Ziffer 5:
Die sofortige Vollziehung der Tenorziffern 1 bis 3 gilt kraft Gesetzes nach § 28 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 8 lfSG. Der Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung hat somit keine aufschiebende Wirkung. Die Verfügung gilt zunächst ohne zeitliche Befristung. lm Sinne des Gefahrenabwehrrechts wird die Allgemeinverfügung aufgehoben, sobald die Gefahr neuer Infektionsketten für das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) nicht mehr besteht. Die Bekanntgabe durch ortsübliche Bekanntmachung erfolgt auf der Homepage des Landkreises sowie durch Aushang am Sitz des Landratsamtes in Görlitz. Eine weitere Verzögerung der Anordnungen ist aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht vertretbar. Die öffentliche Bekanntmachung wird durch verschiedene Medien parallel zum förmlichen Aushang über die Pressearbeit des Landkreises begleitet. Diese Allgemeinverfügung wird gemäß § 1 SächsVwVfG i. V.m. § 41 Abs. 3 VwVfG ortsüblich bekannt gemacht, da eine Bekanntgabe an die Beteiligten aufgrund der Sachlage untunlich ist. Nach§ 41 Abs. 4 Satz 4 VwVfG gilt die Allgemeinverfügung am Tag nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach der öffentlichen Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist bei dem Landkreis Görlitz - Landratsamt -, Bahnhofstraße 24, 02826 Görlitz schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift einzulegen.
Hinweis:
Eine Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 28 Abs. 1 Satz 2 lfSG kann gemäß § 75 Abs. 1 N 1 lfSG mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.
Bernd Lange
Landrat
Gesamter Wortlaut der Allgemeinverfügung einschließlich der Anlage - Risikoeinschätzung für Veranstalter -
Risikoeinschätzung für Veranstalter (separat)
Hinweis:
Ihre Risikoeinschätzung richten Sie bitte per E-Mail an gesundheitsamt@kreis-gr.de.